Welchen Wert hat ein Menschenleben? Leistungsfähige Kostenansätze in der praxis

Für die meisten ist es (zu Recht) undenkbar, über den Wert eines Menschenlebens zu diskutieren. Kein noch so hoher Preis kann im Rahmen einer konkreten Entscheidung durch einen externen Betrachter definiert werden. Andererseits (und dies findet in unserer Kultur und Geschichte immer wieder große Beachtung) risikieren Menschen in Grenzsituationen oft ihr Leben, um andere Ziele (z.B. Rettung von Kindern) zu erreichen. Doch warum opfert sich ein Mensch?

Ökonomen, deren wirkliche Expertise ja die Analyse von kostenrelevanten Entscheidungen (z.B. Tauschvorgänge) ist, würde hier einen von der sich opfernden Person empfundenen Netto-Nutzen attestieren; das Opfer als Resultat einer (mehr oder minder) rationalen individuellen Gewinn- und Verlustrechnung. Im Rahmen von Sozialen Kosten-Nutzen-Analysen ist man immer wieder mit einem entsprechenden Bewertungsproblem konfrontiert. Programme im Gesundheitswesen, Maßnahmen im Bereich der nationalen Sicherheit, technische Standards im Verkehrswesen, sie alle sind untrennbar mit verlorenen oder geretteten Menschenleben verbunden. Um der Politik (möglichst a priori) entsprechende Anhaltspunkte über den gesellschaftlichen Nettonutzen von Strategien und implementierten Regelungen zu geben, müssen also leistungsfähige Ansätze gefunden werden, um (neben der Bewertung vieler anderer Aspekte) auch den Wert von Menschenleben möglichst akkurat abzugrenzen. Doch wie löst man dieses Problem in der Praxis erfolgreich?

Um leistungsfähige (monetäre) Wertansätze (i.e. “Schattenpreise“) für menschliches Leben zu generieren, sollte die Bewertung von Leben (im Rahmen einer strikt ökonomisch-quantitativen Aufarbeitung) im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse (CBA) - anders als z.B. bei Einsatz des Humankapital-Konzepts - einem individualistischen Ansatz folgen, der die unterschiedlichen Präferenzen der Betroffenen berücksichtigt. Im Mittelpunkt stehen dabei das Risiko zu Sterben und die Preisbereitschaften der gefährdeten Personen in Bezug auf die Vermeidung dieses Risikos. Letztere bestimmen dabei individuell bzw. im Mittel über das relevante Subset der Gesellschaft den statistischen Wert des Lebens (Value of a Statistical Life/VSL). Ältere Studien (vgl. u.a. Viscusi/Aldy 2003) zu diesem Thema kommen für westliche Industrieländer (der VSL hängt zum Teil vom Einkommen ab) dabei auf mittlere VSL-Werte von 4 bis 12 Mio. Dollar und darüber. Neuere Studien (vgl. u.a. Rohlfs/Sullivan/Kniesner 2015) grenzen den Bereich des VSL dann doch deutlich stärker ein (9 bis 11 Mio. Dollar). Mainland Labs orientieren sich im Rahmen von CBA in der Regel an Ansätzen des US-amerikanischen Department of Homeland Security (DHS) für den VSL und davon abgeleiteten Bewertungen für Verletzungen, die bei einem VSL-Wert von 9 Mio. Euro liegen. Die Notwendigkeit, leistungsfähiger Bewertungsansätze für menschliches Leben zu finden, muss dabei von ethischen Aspekten entkoppelt werden, um für Systeme, z.B. eine Volkswirtschaft, insgesamt effiziente, wohlfahrtsoptimierende Lösungen zu finden. Ein Umstand, der speziell in Krisen bzw. im Rahmen des Krisenmanagement (z.B. Krisen des Finanzsystems, Kriege oder Pandemien) besondere Bedeutung erlangen kann.

Literatur:
VISCUSI, W/ALDY, J. “The Value of a Statistical Life: A Critical Review of Market Estimates Throughout the World“. The Journal of Risk and Uncertainty, 2003; 27 (1): 5-76
ROHLFS, C./SULLIVAN, R./KNIESNER, T. “New Estimates of the Value of a Statistical Life Using Air Bag Regulation as a Quasi-Experiment“. American Economic Journal: Economic Policy, 2015; 7 (1): 331-359

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