öffentliches Kapital und private investitionen.

Unsere nationalen Produktionssysteme sind Wohlstandsmaschinen. Entscheidend ist dabei die gleichzeitige Verfügbarkeit unterschiedlicher “Qualitäten“ des Produktionsfaktors Kapital. Das Aufeinandertreffen entsprechend kritischer Mengen privaten und öffentlichen Kapitals bildet die Grundlage hohen Wachstums und hohen sozialen Nutzens. Die Möglichkeit, dass sich öffentliches und privates Kapital im Rahmen der volkswirtschaftlichen Produktion gegenseitig ergänzen (Komplementarität), ist auch eines der zentralen Phänomene, will man die wirtschaftspolitischen Bedeutung des öffentlichen Sektors bzw. des Staates besser verstehen.

Öffentliches Kapital (öffentliche Infrastruktur) bzw. die damit verbundenen Dienstleistungen haben in vielfacher Weise den Charakter eines öffentlichen Gutes und sind damit ein (kostenfreier oder kostengünstiger) Input im Rahmen der Produktion (Leistungserstellung) privater Unternehmen. Durch eine Erweiterung oder qualitative Verbesserung von öffentlichen Infrastrukturdienstleistungen werden in der Regel bereits getätigte Investitionen noch rentabler bzw. zusätzlich neue Möglichkeiten für rentable private Investitionen geschaffen (“Crowding-In“-Effekt öffentlichen Kapitals). Öffentliches Kapital wirkt dabei direkt auf die Kosten- und Ertragscharakteristik der privaten Investitionen. So senken z.B. öffentliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur über bessere Erreichbarkeiten die Kosten im Logistikbereich und eröffnen Zugänge zu neuen Absatzmärkten, beides wichtige Argumente im Rahmen der Standortentscheidung von Produktionen.

Neben dem Umstand, dass öffentliches Kapital (bzw. die mit ihm verbundenen Services) als öffentliches Gut im Rahmen der Leistungserstellung privater Unternehmen unentgeltlich oder kostengünstig genutzt wird, kann es über sogenannte “positive externe Effekte“ im Rahmen seiner Erstellung oder Bewirtschaftung die Leistungsfähigkeit privater Akteure (z.B. Unternehmen) erhöhen. In diesem Zusammenhang lassen sich eine ganze Reihe von Wirkungslinien identifizieren, über die öffentliches Kapital (öffentliche Infrastruktur) das wirtschaftliche Wachstum positiv beeinflusst.

Da ist einmal die enge Beziehung zwischen Wissensakkumulation und öffentlicher Infrastruktur. Gemeint ist hier weniger die direkte Beteiligung öffentlicher Einrichtungen (Bildungs- und Forschungseinrichtungen) an der Wissensproduktion, sondern vor allem die positiven Effekte von gut ausgebauten Verkehrssystemen und Kommunikations- und Energienetzen auf das für die Wissensakkumulation wichtige Interaktionsniveau und die Interaktionsfähigkeit der Akteure in der Region. Eng daran gekoppelt sind dabei die indirekten positiven Effekte öffentlicher Infrastruktur auf die lokale bzw. regionale Innovationsrate und damit die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Ganz wesentlich für Wachstum und die regionale Entwicklung ist zudem der Einfluss, den öffentliche Infrastruktur potenziell auf die lokalen bzw. regionalen Märkte der Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) nimmt. Dabei können die Wirkungslinien auf den ersten Blick auch weniger offensichtlich sein. So zeigt z.B. eine unserer Studien zum gesellschaftlichen Nutzen des sozialen Wohnbaus in Wien die Bedeutung von Wohnbaukapazitäten (Wohnraum) in der Entwicklung des lokalen Arbeitsmarktes (Quantität und Qualität) und im Aufbau von Sozialkapital, beides zentrale Voraussetzungen für die Ausbildung von Agglomerationsvorteilen. Letztere sind entscheidend für die Senkung der Kosten der Unternehmen und für ihr Produktivitäts-wachstum, das wiederum auf das wirtschaftliche Wachstum am Standort wirkt. Allein in Wien sind z.B. rund 5% des Bruttoregionalprodukts (wirtschaftliche Leistung der Region) auf diese indirekten Wirkungen (externe Effekte) des geförderten Wohnbaus zurückzuführen. Unsere Analyse der unterschiedlichen Effekte des Wohnbaus zeigt dabei auch, dass über traditionelle Impact-Analysen nur ein kleiner Teil (20%) der vorteilhaften Wirkungen öffentlicher Ausgaben abgebildet wird, während ein bedeutender Teil des im System generierten sozialen Nutzens in der Regel keine Berücksichtigung findet. Die Leistungsfähigkeit öffentlichen Kapitals bzw. öffentlicher Infrastruktur wird also systematisch unterschätzt.

Die große Bedeutung des Bestands an öffentlichen Kapital, an öffentlicher Infrastruktur (z.B. Straßen, Energienetze, Wasserversorgung, öffentlicher Verkehr oder Schulen), für das Wirtschaftswachstum wurden selbst in der Wissenschaft - recht spät - erst in 1980er Jahre intensiver diskutiert. Die erste Welle an Analysen der Rolle und Bedeutung von öffentlicher Infrastruktur für die wirtschaftliche Entwicklung war dabei noch geprägt von einer großer Uneinheitlichkeit der Befunde und viel Polemik auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Heute allerdings gilt die deutlich positive Beziehung zwischen öffentlichem Kapital und Wirtschaftswachstum als wissenschaftlich gesichert. Der langfristige Effekt von öffentlichen Kapital (Infrastruktur) auf das volkswirtschaftliche Wachstum ist dabei typischerweise stärker ausgeprägt als der Effekt in der kurzen Frist. So bringt z.B. eine Verdoppelung der öffentlichen Infrastruktur (Ausdehnung des öffentlichen Kapitals um 100%) im Mittel ein (zusätzliches) BIP-Wachstum von 9% (kurze Frist) bzw. 11% (lange Frist).

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